Das Rennen um die Bundestagskandidatur hat noch nicht begonnen, schon laufen der CDU die ersten Bewerber davon. Drei von fünf sind der Partei noch geblieben. Einer von ihnen ist Holger Nolte. Der Sennestädter und seine verbliebenen Kontrahenten werden sich am Freitag den Parteimitgliedern in Stieghorst und Heepen vorstellen.
Holger Nolte will nach Berlin Fabian Jeremias und Sascha Brok sind nicht mehr dabei - sie haben ihre Bewerbung nach nur wenigen Wochen überraschend wieder zurückgezogen.
Das sind zwei Konkurrenten weniger für Holger Nolte. So will der Kommunalpolitiker die Sache aber nicht sehen. "Ich finde es eher schade für die Partei, weil die Mitglieder jetzt weniger Auswahl bei den Kandidaten haben." Die Entscheidung Broks sei für ihn überraschend gewesen. Er selbst habe sich lange Gedanken um eine Kandidatur gemacht. "Irgendwann war klar, dass ich nach Berlin will", sagt der 43-Jährige.
Im Oktober habe er dem Parteivorsitzenden Andreas Rüther seine Entscheidung mitgeteilt. "Politik macht mir Spaß", sagt der dreifache Familienvater. Er möchte mehr Verantwortung übernehmen, mehr gestalten.
"Ich bin wohl der beständige Typ."
Zu hundert Prozent Politik machen, das ist sein Ziel. Angesichts seines Arbeitspensums ein nachvollziehbarer Wunsch. Nolte ist Vertriebsmitarbeiter bei Siemens. Das lokalpolitische Engagement mitgerechnet, kommt er schnell auf eine 80-Stunden-Woche. Zwei Kalender und "ein absolut stringentes Zeitmanagement" seien notwendig, um seine Termine zu koordinieren. "Ich fände es besser, wenn ich mich auf eine Sache voll und ganz konzentrieren könnte."
Aktuell ist das anders. Noltes Büro ist zu Hause in Dalbke. Angestellt ist er in Stuttgart, einmal im Monat fährt er dort hin. Seine Zuständigkeit geht weit über Deutschland hinaus. 50 bis 60 Übernachtungen im Jahr verbringt der Sales Manager in europäischen oder asiatischen Hotels. Demnächst schult er in Malaysia, Arbeiter vor Ort. Eigentlich ist er für den Verkauf von Feuerlöschanlagen verantwortlich, gefährliche Druckbehälter, die mit Gas arbeiten und bei falschem oder unvorsichtigem Umgang so tödlich wie ein Raketengeschoss sein können. Abnehmer sind Werkzeugmaschinenbauer wie Gildemeister.
Auf diese Weise lernt Nolte, der selbst vor 18 Jahren mit seinem Schwager und seiner Schwester die Dachdeckerei Nolte und Toth GbR aufgebaut hat, unterschiedliche kleine bis mittelgroße Unternehmen in Deutschland kennen. Ein Vorteil für den Politiker: "Man sieht, wie unterschiedlich die Wirtschaft an anderen Orten funktioniert." Für den Bielefelder sei bewundernswert, wie schnell und unkompliziert die Ausschreibung von Gewerbegebieten woanders gehe, wie dynamisch die Wirtschaftsförderung dort laufe. "Das ist bei uns alles noch viel zu langsam", findet er.
Nolte, seit 2009 Mitglied des Rates der Stadt und der Bezirksvertretung Sennstadt, hat sich auf das Thema Stadtentwicklung fokussiert. In Berlin würde er sich als Bundestagsabgeordneter dafür einsetzen, die Rahmenbedingungen für Städte wie Bielefeld zu verbessern: Ärzteversorgung, die Entwicklung der Infrastruktur, der Ausbau der Datenstruktur und der Industrie 4.0.
Als Aufsichtsratvorsitzender der Sennestadt GmbH begleitet er intensiv den Stadtumbauprozess im Süden der Stadt.
Dort ist Nolte fest verwurzelt. Die Sennestadt bezeichnet er als seine Kinderstube, dort ist er aufgewachsen. Nach einer kurzen Exkursion nach Brackwede und in die Senne zog er nach Dalbke zurück und baute mit seiner Frau, die er mit 16 Jahren kennenlernte, dort ein Haus.
Lockrufen oder gar besseren Jobangeboten aus Stuttgart sei er nie gefolgt. "Bielefeld ist meine Heimat - da gehöre ich hin", sagt er und lacht verschmitzt. "Ich bin wohl eher der beständige Typ."
Die wenige Freizeit, die der Vater von zwei Töchtern (14 und 19) und einem Sohn (12) hat, gehöre seiner Familie. 1997 habe er als einer der ersten Väter Erziehungsurlaub genommen. Insgesamt sechs Jahre hat er bei Siemens pausiert, um die Kinder aufwachsen zu sehen. Mit seiner Frau geht er tanzen. Immer Sonntagsabends im Tanzstudio Gursch. "Das ist für mich die absolute Tiefenentspannung."
Quelle: Neue Westfälische, 21.06.2016