Bielefeld(WB). Die grüne Umweltdezernentin Anja Ritschel soll heute im Rat zur Stellvertreterin von Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) gewählt werden. Die CDU sähe dort lieber ihren Parteifreund und Planungsdezernenten Gregor Moss.
Moss sei der dienstälteste Dezernent im Rathaus. Außerdem solle sein Ressort um den Bereich Wirtschaft ergänzt werden. Diese Aufgabe bekomme noch mehr Gewicht, wenn Moss auch als Stellvertreter des OB sprechen könne, meinte gestern CDU-Ratsfraktionschef Ralf Nettelstroth.
Gegen Ritschel hat die Union auch inhaltliche Vorbehalte. Die haben auch mit den jüngsten Ereignissen im städtischen Umweltbetrieb zu tun. Dort hatte es bei der Berechnung eines Regenrückhaltebeckens einen millionenteuren Fehler gegeben. Das Becken, das im Zuge der Weser-Lutter-Sanierung gebaut werden muss, war viel zu klein geplant worden. Entdeckt worden war der Fehler bereits Ende 2014, öffentlich wurde er erst Anfang dieses Jahres. »Wir müssen wissen, wann Anja Ritschel als zuständige Dezernentin davon gewusst hat«, sagte Nettelstroth. Eine entsprechende Anfrage hat die Union für die heutige Sitzung des Hauptausschusses, die der Ratssitzung vorgeschaltet ist, gestellt.
Sollte der Rat nicht dem Vorschlag der CDU folgen und Moss nicht zum neuen Ersten Beigeordneten machen, will die Union eine Vertagung der Entscheidung über die Berufung Ritschels erreichen. Abgewartet werden soll dann mindestens die nächste Sitzung des Betriebsausschusses des Umweltbetriebes, wo der Rechenfehler erneut Thema sein soll.
Richtig findet die CDU, dass ihr Dezernent Moss den Bereich Wirtschaft hinzubekommen soll. Schon jetzt ist Moss, der seit knapp 16 Jahren in den Diensten der Stadt steht, auch Geschäftsführer der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Wege. Um die Arbeit als Wirtschaftsdezernent wahrnehmen zu können, erwartet die CDU von der Paprika-Koalition aus SPD, Grünen und Piraten/Bürgernähe, dass sie auch bereit sei, ausreichend Gewerbeflächen bereitzustellen. Nettelstroth: »Wir haben reichlich Bedarf.«
Clausens Wunsch-Kandidatin Anja Ritschel zur OB-Stellvertreterin zu berufen, sei auch ein falsches Signal an die Wirtschaft. Die Dezernentin werde eher mit einer Behinderungspolitik verbunden, so Nettelstroth.
Mit der Forderung, Moss zum Ersten Beigeordneten zu machen, ist auch geklärt, dass die Union für dessen Wiederwahl eintritt. Seine aktuelle achtjährige Wahlzeit endet am 31. Dezember. Stadtkämmerer Franz-Josef Löseke wollte die CDU nicht erneut ins Rennen schicken. Weil dessen Nachfolger das zweite juristische Staatsexamen oder eine vergleichbare Qualifikation aufweisen muss, gestaltet sich die Suche noch schwierig. »Der neue Kämmerer soll aber am 2. Juni vom Rat gewählt werden«, versicherte Nettelstroth.
SPD, CDU und Grüne im Rat haben eine Absprache getroffen: Sozial- und Christdemokraten dürfen je zwei Beigeordnete im Verwaltungsvorstand stellen, die Grünen einen.